Vegane Mythen im Faktencheck

Vegane Mythen im Faktencheck

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Immer mehr Menschen ernähren sich vegan und verzichten auf tierische Produkte. Dabei herrschen viele Vorurteile.

Ein bloßer Trend ist vegane Ernährung schon lange nicht mehr. In den vergangenen Jahren sprossen vegane Supermärkte, unzählige Restaurants mit rein pflanzlichen Gerichten und vegane Eigenmarken großer Supermarktketten aus dem Boden. Sogar die Fleischindustrie möchte die wachsende Zielgruppe der Veganer nicht vernachlässigen und entwickelt in ihren Laboren pflanzliche Fleischalternativen. Noch populärer wird Veganismus auch durch Promis, die den veganen Lebensstil anpreisen und sich mit grünen Smoothies in den sozialen Medien präsentieren. Vor Kurzem rief Superstar Beyoncé beispielsweise ihre 112 Millionen Fans auf Instagram auf, ihrer 44-tägigen Herausforderung zu folgen und sich ebenso vegan zu ernähren.

Ernährungspyramide neu

Dass der Verzicht auf alle tierischen Lebensmittel wie Milch, Eier und Käse nicht nur eine Modeerscheinung ist, beweisen auch die Pläne und Reformen einiger Politiker. Die kanadische Regierung arbeitet derzeit an einem neuen Entwurf der gängigen Ernährungspyramide. Im neuen Modell bilden Gemüse, Obst, Vollkorn sowie pflanzliches Protein die Grundlage – anstelle von tierischem Protein aus Milch und Milchprodukten. Das kommt einer ernährungswissenschaftlichen Revolution gleich, empfehlen die Ernährungsgesellschaften Deutschlands und Österreichs noch immer drei Portionen Milcherzeugnisse täglich. Aber auch multinationale Konzerne wie McDonald’s experimentieren seit Jahren an veganen Burgern, um die jährlich wachsende Zielgruppe an vegan lebenden Menschen anzusprechen. Der McVegan, der in Finnland und Schweden zu Testzwecken im Angebot war, wurde alleine im Jänner 2018 rund 150.000-mal verkauft.

Gesundheitsaspekt

Neben Regierungen und Konzernen beschäftigen sich auch viele Wissenschafter mit veganer Ernährung und fördern so immer neue Erkenntnisse zutage. So fanden US-amerikanische Forscher kürzlich in einer Studie heraus, dass vegane Ernährung bei übergewichtigen Erwachsenen die Insulin-Sensitivität erhöhen und die Funktion der Beta-Zellen verbessern kann – was Diabetes Typ 2 vorbeugt. Die Wiener Allgemeinmedizinerin Barbara Kaspar verweist jedoch darauf, dass vegan nicht gleich gesund bedeutet. Ausgewogene pflanzenbasierte Ernährung bedeute für sie eine Kombination aus Gemüse in allen Farben des Regenbogens, Hülsenfrüchten, Samen, Nüssen, fermentierten Lebensmitteln, Obst, Algen, Kräutern, Gewürzen und vollwertigem Getreide aus biologischem, am besten regionalem Anbau. Raffinierter Zucker, Auszugsmehl und industriell verarbeitete Nahrungsmittel sollten dabei gänzlich gemieden werden. Um dieses und weitere Missverständnisse aufzuklären, lesen Sie, was Experten zu den gängigsten Mythen veganer Ernährung zu sagen haben.

„Täglicher Konsum von Fleisch liegt nicht in der Natur des Menschen.“ Dr. Barbara Kaspar, Ärztin für Allgemeinmedizin © Bild: sylvia-maria holzapfel

Vegane Mythen im Faktencheck

Vier Experten aus den Bereichen Medizin, Sport und Pflanzenzüchtung beziehen Stellung zu gängigen Vorurteilen rund um die vegane Lebensweise und klären auf, wie viel Wahrheitsgehalt wirklich dahintersteckt.

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Mythen zu veganer Ernährung, beantwortet von Dr. Barbara Kaspar, Ärztin für Allgemeinmedizin und Homöopathie in Wien 

Mythos 1: Fleisch ist als Eiweißlieferant unentbehrlich.
Gesundheitsschädliche  tierische Produkte wegen einzelner Nährstoffe zu empfehlen, finde ich fachlich falsch, da man diese Nährstoffe viel besser durch gesunde pflanzliche Nahrungsmittel zu sich nehmen kann. Fleisch ist als Nährstofflieferant entbehrlich. Fleischlastige Ernährung führt eher zu einer Übereiweißung, einem Überangebot an gesättigten Fettsäuren, einer Unterversorgung mit Nährstoffen und einer Übersäuerung. Die Folgen sind die klassischen Zivilisationserkrankungen, wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, viele Krebserkrankungen, Nieren- und Lebererkrankungen, aber auch ein Ungleichgewicht im Knochen- und Kalziumhaushalt mit den Folgen der Osteoporose. Die empfohlene Tagesmenge an Protein ist 0,8 mg/kg Körpergewicht. Eine pflanzenbasierte Ernährung mit ausreichend eiweißhaltigen Nahrungsmitteln wie Hülsenfrüchten, Nüssen, Haferflocken, Quinoa, Buchweizen, Samen, Spirulinaalgen und Sojaproduktenkann dieser Anforderung durchaus gerecht werden.

Mythos 2: Menschen sind von Natur aus Fleischfresser.

Täglicher Konsum von Fleisch liegt nicht in der Natur des MenschenZu Beginn der Menschheitsgeschichte ist Fleischbeschaffung durch Jagd vermutlich aus Mangel an anderen Nahrungsmitteln notwendig geworden. Tierische Nahrungsmittel  haben nur einen kleinen Teil des gesamten Nahrungsbedarfs gedeckt. Häufig wird von Wissenschaftern der Fleischkonsum als Ursache vorteiliger Gehirnentwicklung unserer Vorfahren angeführt. Jedoch könnte auch die Fähigkeit, stärkehaltige Pflanzenteile verdauen zu können, die mit dem Gebrauch des Feuers für die Nahrungszubereitung zusätzlich verbessert wurde, für das Gehirnwachstum und die weitere Evolution des Menschen wesentlich wichtiger gewesen sein. Tatsache ist, dass sich die Menschen schon immer zum größten Teil fleischlos ernährt haben. Regelmäßiger Fleischkonsum hat sich erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in unserer Gesellschaft etabliert. Heute sind wir in der glücklichen Situation, uns diesbezüglich in keiner Notlage zu befinden und daher nicht auf fleischbasierte Ernährung angewiesen zu sein.

Mythos 3: Vegane Ernährung kann den Nährstoffbedarf nicht decken.
Das betrifft vor allem Vitamin B12. Da dieses hauptsächlich in tierischen Produkten vorkommt, weisen Veganer oft einen Mangel auf. Vitamin B12 muss meistens über Nahrungsergänzungsprodukte zugeführt werden. Außerdem gelten Veganer als Risikogruppe für einen Jodmangel. Es wird deshalb empfohlen, eine ausreichende Jodzufuhr mittels jodiertem Speisesalz sowie Meeresalgen mit moderatem Jodgehalt sicherzustellen. Zusätzlich sollten  der Eisen- und Kalziumspiegel regelmäßig kontrolliert werden. Zwar enthalten viele pflanzliche Nahrungsmittel Eisen, jedoch in deutlich geringerer Konzentration als manche tierische Produkte.  Von einem Vitamin-D-Mangel sind  Veganer gleichermaßen betroffen wie Mischköstler. Ansonsten sind Veganer mit Mineralstoffen und Vitaminen bestens versorgt.

Mythos 4: Sojaprodukte enthalten kein Kalzium, sind dafür voller Allergene und Isoflavone, was vor allem für Männer ungesund ist.
Ja, Sojaprodukte enthalten kein Kalzium, werden jedoch häufig mit Kalzium versetzt. Die Allergiehäufigkeit für Soja beträgt 1:2000, d. h. ein Patient von 2000 Patienten hat eine Sojaallergie. Bei Milch ist die Häufigkeit mit 1:50  40-mal höher als bei Soja. Milch sollte also den Kälbern vorbehalten sein und daher reduziert konsumiert oder ganz von unserem Ernährungsplan gestrichen werden. Sojaprodukte  in moderaten Mengen genossen weisen viele Vorteile auf. Sie reduzieren Brustkrebs, Darm- und vermutlich auch Prostatakrebs. Außerdem vermindern sie Wechselbeschwerden und haben einen positiven Einfluss auf Knochen- und Hautgesundheit. Die in Sojaprodukten enthaltenen Isoflavone agieren  ähnlich wie eine milde Form der Hormonersatztherapie. Ein negativer Effekt bei Männern und Soja hinsichtlich Verweiblichung oder Samenqualität oder
-menge konnte bisher in keiner Studie belegt werden.

Mythos 6: Fleischersatzprodukte wie Sojawürste sind ungesund.
Auch im veganen Lebensmittelsektor gibt es eine Vielzahl an Convenienceprodukten, die den Erwartungen gesunder Ernährung leider nicht gerecht werden können.  Ich empfehle daher, beim Kauf von Fertigprodukten immer auf Inhaltsstoffe, biologischen Anbau, Gentechnikfreiheit und Regionalität zu achten, und empfehle, so viel wie möglich selbst und frisch zu kochen.

 

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Mythen zu Soja und deren angeblichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt, beantwortet von Prof. Dr. Johann Vollmann, Universitätsdozent an der BOKU Wien

Mythos 1: Für Soja werden Regenwälder abgeholzt und Lebensräume zerstört.
Das stimmt leider mit Bezug auf südamerikanische Anbaugebiete. Um dem entgegenzuwirken, bemühen wir uns,  mehr Sojabohnen in Europa auf schon bestehenden Ackerflächen anzubauen.

Mythos 2: Sojabohnen dienen vor allem Veganern zur Erzeugung von Sojaprodukten.
Sojabohnen werden weltweit zu über 90 Prozent als proteinhaltiges Tierfutter verwendet, um damit Fleisch, Milch und Eier zu produzieren. Andererseits werden aus Sojabohnen selbst Lebensmittel hergestellt, traditionelle wie Tofu und Sojadrinks, moderne wie Brotaufstriche, Snacks usw. Ersatzprodukte wie Sojaschnitzel  sind Imitate, die  nur einen geringen Anteil der Lebensmittelsojabohnen ausmachen.  Sojabohnen bzw. Sojabestandteile (Protein, Öl, Lezithin, Schalen, Flocken, …) werden zudem in über 30.000 (!) Lebensmittelrezepturen eingesetzt.

Mythos 3: Sojabohnen sind gentechnisch verändert.
Im weltweiten Anbau sind ca. 70 Prozent der Sojabohnen gentechnisch verändert, um sie herbizidresistent zu machen. In der EU ist der Anbau solcher Sojabohnen aber nicht erlaubt und wird auch nicht praktiziert, sodass die Lebensmittel-Sojabohnen aus  österreichischem Anbau sicher gentechnikfrei sind.

Mythos 4: Soja laugt den Boden aus.
Das stimmt nicht. Wie alle anderen Pflanzen entziehen natürlich auch Sojabohnen dem Boden Nährstoffe, um zu wachsen und Biomasse zu bilden. Diese Nährstoffe werden von den Landwirten durch Düngung wieder ergänzt. Beispielsweise wird die Sojabohne im Bio-Landbau besonders geschätzt, weil sie in Symbiose mit Wurzelbakterien Stickstoff aus der Luft fixieren kann, weshalb sie sogar weniger Dünger als andere Pflanzen braucht.

 

Mother and daughter cooking© Bild: Getty Images/filadendron/IStockphoto.com

Mythen zu Kindern und veganer Ernährung, beantwortet von Dr. Bernd Balluch, Kinderarzt in Wien

Mythos 1: Vegane Ernährung für Kinder ist ungesund. Die Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde rät sogar davon ab.
Aus meiner Sicht ist es  möglich, auch Kinder und Jugendliche vegan zu ernähren; es bedarf jedoch einer gewissen Sorgfalt und erhöhter Aufmerksamkeit seitens der erwachsenen Bezugspersonen, die in meiner Erfahrung meistens gegeben ist. Vegetarier und Veganer legen üblicherweise großen Wert auf die Qualität der Ernährung und resultierend auch auf ihre Gesundheit, was die Arbeit der betreuenden Ärzten wesentlich erleichtert. Da dies aber nicht in allen Familien Voraussetzung sein kann, wird von veganer Ernährung pauschal abgeraten. Individuell kann das aber immer auch gegenteilig zu beurteilen sein.

Mythos 2: Vegane Ernährung ist nichts für Schwangere.
Panikmache ist nicht angesagt. Die Praxis zeigt, dass vegane Ernährung auch in der Schwangerschaft ohne negative Konsequenzen bleibt – vorausgesetzt, dass eine entsprechende Vitaminsubstitution erfolgt (v. a.  Vitamin B12, Folsäure und Vitamin D) sowie auf gute Proteinqualität und ausreichend Eisenzufuhr geachtet wird und auch kein kalorischer Engpass entsteht. Vegane Ernährung darf ganz besonders in der Schwangerschaft also nicht unkritisch und unkontrolliert erfolgen.

Beautiful young sports couple© Bild: Getty Images/iStockphoto/George Rudy/IStockphoto.com

Mythen zu Sport und veganer Ernährung, beantwortet von Eva-Maria Bernardonakad. Sport- und Fitnesstrainerin

Mythos 1: Zum Muskelaufbau benötigt der Körper Protein in Form von Fleisch und Eiern.
Dieser Mythos hält sich hartnäckig. Jedoch kann mit einer vollwertigen, abwechslungsreichen, veganen Ernährung der Proteinbedarf problemlos gedeckt werden. Es wird oft übersehen, dass alle Arten von Getreide, Hülsenfrüchten und  Nüssen ohnehin hervorragende Proteinlieferanten sind. Man muss also auch nicht zwangsläufig auf Fleischersatzprodukte (die oft stark verarbeitet und nicht sehr gesund sind) zurückgreifen, um den Eiweißbedarf zu decken. Ja, eine rein vegane Ernährung ist für Sportler durchaus empfehlenswert. Wobei man ganz klar sagen muss, vegan ist nicht gleichbedeutend mit gesund! Es gibt eine Vielzahl an Süßigkeiten, veganen Fertigprodukten und ähnlichem, die alles andere als gesundheitsfördernd sind.

Mythos 2: Vegane Ernährung verbessert die Regenerationsfähigkeit und stärkt das Immunsystem.
Einen wesentlichen Vorteil für sportlich aktive Menschen bringt der hohe Obst- und Gemüseanteil in einer vollwertigen pflanzenbasierten Ernährung. Neben einer Vielzahl an Vitaminen und Mineralstoffen liefern sie vor allem auch sekundäre Pflanzenstoffe, die sich im Körper u. a. entzündungshemmend auswirken. Der veganen Ernährung wird im Leistungssport oftmals eine Verbesserung der Regenerationsfähigkeit sowie eine Stärkung des Immunsystems zugeschrieben, dies ist vermutlich auf die entzündungshemmenden Pflanzeninhaltsstoffe einerseits sowie einer Elimination entzündungsfördernder Stoffe (verarbeitetes Fleisch, rotes Fleisch, Innereien) andererseits zuzuschreiben. Je nach Trainingspensum erhöht sich auch der Energiebedarf. Hier sind dann Lebensmittel mit einer hohen Nährstoff- und Energiedichte zu bevorzugen. Nüsse, Samen, Datteln, Bananen – um nur einige beliebte Beispiele zu nennen.

Mythos 3: Der Nährstoffbedarf von Sportlern kann bei veganerErnährungsweise nicht optimal gedeckt werden.
Je mehr Sport betrieben wird, umso mehr Energie verbraucht der Körper. Bei Spitzenleistungen und dementsprechendem Training ist es natürlich notwendig, den Mehrbedarf an Energie zu decken. Eine vegane, zumeist kohlenhydratreicheErnährung bietet hier den Vorteil, dass Kohlenhydrate im Körper schnell verstoffwechselt werden und somit auch schnell als Energielieferant verfügbar sind. Viele Spitzensportler ernähren sich vegan (u. a. Ultraläufer Scott Jurek, Kraftsportler Patrik Baboumian, Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner und seit einigen Monaten auch Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton) und zeigen, dass eine pflanzliche Ernährung auch auf Topniveau möglich ist. Die Anfang 2018 erschienene Dokumentation „The Game Changers“ zeigt eindrucksvoll, dass vegane Ernährung sportliche Höchstleistungen perfekt unterstützt.

 

JULIA GSCHMEIDLER

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Warum Frauen in China keinen Brustkrebs bekommen

Warum Frauen in China keinen Brustkrebs bekommen

2660216Auf den möglichen Zusammenhang von Milchprodukten und Krankheiten hat z.B. Ruediger Dahlke in Peace Food schon länger hingewiesen. Nachfolgend ein Erfahrungsbericht von Prof. Dr. Jane Plant aus dem Alternative Health Resources Newsletter März 2013: „Ich hatte keine Alternative als zu sterben oder eine Heilung für mich selbst zu finden. Ich bin Wissenschaftlerin – und es gab doch sicher eine rationelle Erklärung für diese grausame Krankheit, die eine von zwölf Frauen im Vereinigten Königreich betrifft? Ich hatte den Verlust einer Brust erlitten und eine Bestrahlungstherapie hinter mir. Nun erhielt ich schmerzhafte Chemotherapien, und wurde von einigen der angesehensten Spezialisten des Landes untersucht. Aber tief in mir spürte ich, daß ich dem Tod entgegensah. Ich hatte einen liebevollen Ehemann, ein schönes Heim und zwei kleine Kinder für die ich sorgen mußte. Ich wollte unbedingt weiterleben.

Glücklicherweise führte mich diese Sehnsucht zur Entdeckung von Fakten, von denen zu dieser Zeit einige nur einer Handvoll Wissenschaftlern bekannt waren. Jedem Menschen, der mit Brustkrebs in Berührung gekommen ist, wird bekannt sein, daß gewisse Risikofaktoren komplett außerhalb unseres Einflußes liegen – wie fortgeschrittenes Alter, frühes Einsetzen der Weiblichkeit, später Beginn der Menopause und eine Familienvorgeschichte mit Brustkrebs. Aber es gibt auch viele Risikofaktoren, die wir ohne weiteres selbst kontrollieren können.

Diese “kontrollierbaren” Risikofaktoren lassen sich leicht in einfache Veränderungen umsetzen, die wir alle in unserem täglichen Leben machen können, um Brustkrebs zu verhindern oder zu behandeln. Meine Botschaft ist, daß auch fortgeschrittener Brustkrebs überwunden werden kann – weil ich es geschafft habe. Der erste Hinweis zu dem Verständnis, was meinen Brustkrebs gefördert haben könnte, kam als mein Mann Peter – ebenfalls ein Wissenschaftler – von einem Job in China zurückkehrte, während in mir die Schläuche für eine Chemo-Behandlung steckten. Er hatte sowohl Postkarten und Briefe mitgebracht als auch einige seltsame Kräuterzäpfchen, die ihm von Freunden und Wissenschaftskollegen in China mitgegeben worden waren.

Diese Zäpfchen wurden mir also als Heilmittel für den Brustkrebs geschickt. Trotz des Ernstes der Situation mußten wir beide herzhaft lachen, und ich erinnere mich scherzhaft gesagt zu haben, daß es bei dieser Behandlung kein Wunder war, daß chinesische Frauen diese Krankheit vermeiden können. Diese Worte hallten in meinem Kopf wider. Warum bekamen Frauen in China keinen Brustkrebs? Ich hatte früher mit chinesischen Kollegen an einer Studie gearbeitet, die Verbindungen zwischen Bodenchemie und Krankheiten untersuchte, und erinnerte mich an eine der Statistiken. Brustkrebs existierte im gesamten Land praktisch nicht. In China wird “nur” eine von 10.000 Frauen daran sterben, verglichen mit der entsetzlichen Zahl von einer von zwölf in Großbritannien und dem noch schlimmeren Durchschnitt von einer von zehn in den meisten westlichen Ländern. Das liegt nicht nur daran, daß in China ländliche Gebiete mit weniger städtischer Verschmutzung vorherrschen. In der Metropole Hong Kong steigt die Rate zwar auf 34 Frauen von 10.000, was aber neben den westlichen Zahlen immer noch verblaßt.

Die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki haben ähnliche Statistiken. Und man muß bedenken, daß beide Städte mit Nuklearwaffen angegriffen worden sind – zusätzlich zu üblichen, umweltbedingten Krebskrankheiten würde man also erwarten, auch einige strahlungsbedingte Fälle zu finden. Die aus diesen Statistiken zu ziehende Schlußfolgerung trifft einen mit einiger Gewalt. Würde eine Frau aus den westlichen Ländern in das industrialisierte, verstrahlte Hiroshima ziehen, würde sie das Risiko einer Brustkrebserkrankung um die Hälfte reduzieren. Das hört sich doch absurd an. Für mich war es offenkundig, daß neben der Verschmutzung, Verstädterung oder der Umwelt noch andere Lebensbedingungen dafür ausschlaggebend waren, daß westliche Frauen ein solch ernstlich erhöhtes Risiko haben, Brustkrebs zu entwickeln.

Ich entdeckte dann, was auch immer der Grund für die riesigen Unterschiede in den Brustkrebsraten zwischen östlichen und westlichen Ländern war, er war nicht genetisch bedingt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß sich ihre Brustkrebsraten innerhalb von einer oder zwei Generationen an die ihrer Gastgeberländer angleichen, wenn Chinesinnen oder Japanerinnen in den Westen ziehen. Das gleiche passiert in Hong Kong, wenn sich Asiaten einen komplett westlichen Lebensstil aneignen. Tatsächlich lautet der umgangssprachliche Name für Brustkrebs in China auch “Reiche Frauen-Krankheit”, weil sich dort nur finanziell bessergestellte die Speisen leisten können, die “Hong Kong-Essen” genannt werden. Die Chinesen beschreiben sämtliche westlichen Nahrungsmittel – und zwar alles, angefangen von Eiscreme und Schokoladeriegel bis zu Spaghetti und Fetakäse – als “Hong Kong-Essen”, weil es früher nur in der ehemaligen britischen Kolonie erhältlich war, nicht aber auf dem restlichen chinesischen Festland.

Für mich ergab es also absolut Sinn – was auch immer der Auslöser für meinen Brustkrebs und das schockierend häufige Vorkommen in meinem Land generell war, hatte fast sicher mit unserem westlichen, wohlstandsbedingten Lebensstil zu tun. Es gibt hier einen wichtigen Punkt auch für Männer. Ich konnte bei meinen Forschungen beobachten, daß viele der Daten über Prostatakrebs zu ähnlichen Ergebnissen führen.

Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation ist die Anzahl der Männer im ländlichen China zu vernachlässigen, die Prostatakrebs entwickeln – sie beträgt nur 0,5 pro 100.000. In England, Schottland und Wales ist diese Zahl jedoch 70 mal höher. Wie bei Brustkrebs handelt es sich um eine Krankheit der Mittelklasse, die vorwiegend die wohlhabenden und sozial höherstehenden Gruppen betrifft, die sich teurere Nahrungsmittel leisten können.

Ich weiß noch, wie ich zu meinem Mann sagte: “Komm schon Peter, du bist gerade aus China zurückgekommen. Was ist es am chinesischen Lebensstil, das so einen Unterschied ausmacht?” Warum bekommen sie keinen Brustkrebs? Wir entschieden uns, gemeinsam unsere wissenschaftlichen Ausbildungen anzuwenden und das ganze logisch anzugehen. Wir untersuchten wissenschaftliche Daten, die uns generell in die Richtung von Fetten in der Ernährung führten. Forscher entdeckten in den 1980er Jahren, daß nur 14% der Kalorien in der durchschnittlichen chinesischen Kost vom Fett stammten, im Gegensatz zu fast 36% in der des Westens.

Aber die Nahrungsmittel, von denen ich mich seit Jahren vor meinem Brustkrebs ernährt hatte, waren sehr fettarm und reich an Ballaststoffen. Zudem wußte ich als Wissenschaftlerin, daß die Aufnahme von Fett bei Erwachsenen nicht zu erhöhtem Brustkrebsrisiko führte, was Untersuchungen an großen Frauengruppen mit einer Dauer von bis zu zwölf Jahren gezeigt hatten.

Dann passierte eines Tages etwas ziemlich Besonderes. Peter und ich hatten über die Jahre so eng zusammengearbeitet, daß ich nicht mehr sicher bin, wer von uns zuerst ausrief: “Die Chinesen essen keine Milchprodukte!” Es ist schwer, einem Nicht-Wissenschaftler die plötzliche mentale und emotionale Begeisterung zu erklären, die einen bei einer wichtigen Einsicht befällt. Es ist als ob in deinem Kopf viele Puzzleteile herumschwirren und plötzlich, in wenigen Sekunden, zusammenfallen und das Gesamtbild klar ersichtlich wird.

Auf einmal konnte ich mich daran erinnern, wie viele Chinesen Milch körperlich nicht ertragen können; wie die Chinesen mit denen ich zusammengearbeitet hatte, immer betonten, daß Milch nur für Babys da ist; und wie einer meiner engen Freunde chinesischer Herkunft den Käse bei Dinnerpartys immer höflich abgelehnt hatte.

Ich kannte keine chinesischen Menschen mit traditionellem chinesischen Lebensstil, die ihre Babys jemals mit Produkten aus Kuh- oder anderer Milch ernährt hätten. In der Tradition gab es wohl Hebammen, aber keinesfalls und niemals Milchprodukte.

Kulturell gesehen, ist für die Chinesen unsere westliche Besessenheit mit Milch und Milchprodukten sehr befremdend. Ich kann mich erinnern, wie ich kurz nach Ende der kulturellen Revolution in den 1980ern eine große Delegation von chinesischen Wissenschaftlern betreut hatte. Auf Anraten des Auslandsbüros hatten wir beim Partyservice ein Dessert mit viel Eiscreme bestellt. Nachdem sie sich erkundigt hatten woraus das Dessert bestand, lehnten sämtliche Chinesen – ihr Dolmetscher inbegriffen – den Verzehr höflich, aber bestimmt ab und konnten auch nicht umgestimmt werden.

Zu dieser Zeit waren wir alle entzückt und genossen die Extraportion! Milch ist einer der Hauptverursacher von Nahrungsallergien. Über 70% der Weltbevölkerung können den Milchzucker – Laktose – nicht verdauen. Ich entdeckte, daß Milch einer der Hauptverursacher von Nahrungsallergien ist. Über 70% der Weltbevölkerung können den Milchzucker nicht verdauen, was Ernährungswissenschaftler zu der Annahme führte, daß dies der normale Zustand für Erwachsene ist, und nicht etwa eine Art von Defizit. Vielleicht versucht uns die Natur zu sagen, daß wir uns falsch ernähren. Bevor ich das erste mal Brustkrebs bekam, aß ich eine Menge von Milchprodukten wie entrahmte Milch, Käse mit niedrigem Fettanteil und Joghurt – sie waren meine Hauptquelle für Protein. Auch verzehrte ich billiges, aber mageres Hackfleisch, heute habe ich realisiert, daß es wahrscheinlich häufig von gezüchteten Milchkühen stammte.

Um die Chemotherapie bei meinem fünften Krebs-Vorkommen zu ertragen, hatte ich Bio-Joghurts gegessen, um meinem Verdauungstrakt bei der Erholung zu helfen und um meinen Darm mit “guten” Bakterien wiederzubevölkern.

Kürzlich habe ich entdeckt, daß vor langer Zeit, 1989, Joghurt mit Eierstockkrebs in Verbindung gebracht wurde. Dr. Daniel Cramer von der Harvard-Universität studierte hunderte von Frauen mit Eierstockkrebs, und zeichnete detailliert auf wovon sie sich normalerweise ernährten. Ich wünschte ich wäre mir seiner Ergebnisse bewußt geworden, als wir sie das erste mal sahen. Nach Peters und meinen Erkenntnissen bezüglich der chinesischen Kost entschied ich mich, nicht nur Joghurt aufzugeben, sondern sofort auch sämtliche andere Milchprodukte. Käse, Butter, Milch, Joghurt und alles andere das Milcherzeugnisse enthielt, wanderte in den Abfluß oder in den Abfall. Es war überraschend, wie viele Produkte irgendeine Form von Milcherzeugnis enthielten – Fertigsuppen, Kekse und Kuchen inbegriffen. Auch viele Margarine-Marken, die als Soja-, Sonnenblumen- oder Olivenölaufstrich deklariert sind, können Milcherzeugnisse enthalten. Darum wurde ich zu einer aufmerksamen Leserin des Kleingedruckten auf Nahrungsmittelpackungen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit Meßschiebern standhaft das Wachstum meines fünften Krebsknotens gemessen und die Ergebnisse aufgezeichnet. Trotz der aufmunternden Kommentare und der positiven Resonanz meiner Ärzte und Krankenschwestern, sagten mir meine eigenen genauen Beobachtungen die bittere Wahrheit.

Meine ersten Chemotherapie-Behandlungen ergaben keinen Erfolg – der Knoten war immer noch gleich groß. Dann eliminierte ich die Milchprodukte, und innerhalb von Tagen begann der Knoten zu schrumpfen. Ungefähr zwei Wochen nach meiner zweiten Chemotherapie-Sitzung und eine Woche nachdem ich Milchprodukte aufgegeben hatte, begann der Knoten in meinem Hals zu jucken. Dann begann er weicher zu werden und in der Größe zu schrumpfen. Die Kurve in meinen Aufzeichnungen, die sich bis dahin nicht geändert hatte, zeigte nun nach unten, als der Tumor kleiner und kleiner wurde.

Und ich bemerkte, und das ist sehr bedeutend, statt exponentiell in einer eleganten Kurve zu sinken wie das bei Krebs erwartet wird, zeichnete der Rückgang des Tumors eine gerade Linie nach unten, was eine Heilung anzeigt und nicht nur eine Unterdrückung oder ein Abklingen des Tumors.

An einem Samstagnachmittag, etwa sechs Wochen nach der Verbannung von Milchprodukten aus meiner Ernährung, übte ich mich eine Stunde in Meditation und tastete dann nach dem Rest des Knotens. Ich konnte ihn nicht finden, obwohl ich sehr erfahren war beim Aufspüren von Krebsknoten – ich habe alle fünf bei mir selbst entdeckt. Ich ging hinunter und bat meinen Mann, meinen Hals abzutasten. Auch er konnte keine Spur des Knotens finden.

Am folgenden Donnerstag hatte ich einen Termin bei meinem Krebsspezialisten im Charing Cross-Krankenhaus in London. Er untersuchte mich gründlich, speziell meinen Hals, wo sich der Tumor befunden hatte. Zuerst war er verwirrt und dann begeistert, als er sagte: “Ich kann ihn nicht finden.” Keiner meiner Ärzte – so schien es – hätte es erwartet, daß jemand mit meinem Typ und Stadium von Krebs (der eindeutig in das Lymphsystem ausgestrahlt hatte) überlebt, geschweige denn so gesund und rüstig bleibt.

Mein Spezialist war genauso überglücklich wie ich es war. Als wir das erste mal meine Ideen besprachen, war er verständlicherweise skeptisch. Aber ich weiß, daß er jetzt in seinen Vorlesungen Graphiken der Krebssterblichkeit in China benutzt und seinen Krebspatienten eine Ernährung ohne Milchprodukte empfiehlt. Heute glaube ich, daß die Verbindung zwischen Milcherzeugnissen und Brustkrebs ähnlich der Verbindung zwischen Rauchen und Lungenkrebs ist. Ich glaube, daß die Erkenntnis des Verhältnisses von Brustkrebs zu Milchprodukten und die folgende Entwicklung einer Ernährung speziell für die Gesundheit meiner Brust und meines Hormonsystems mich geheilt haben. Es war schwierig für mich zu akzeptieren, wie es auch für Sie sein könnte, daß eine so “natürliche” Substanz wie Milch solch verhängnisvolle Konsequenzen für die Gesundheit haben kann. Aber ich bin der lebende Beweis dafür.

Dr. Jane Plant

Dr. Jane Plant

Zur Person: Professor Jane Plant, geboren 1945, gilt als eine der angesehensten Wissenschaftlerinnen Englands. Sie studierte an den Universitäten von Liverpool und Leicester Geologie und Geochemie und wirkte seit 1967 in verschiedenen wissenschaftlichen Organisationen mit. 1999 wurde sie Direktorin des British Geological Survey. Im gleichen Jahr erhielt sie den renommierten Lord Lloyd of Kilgerran Preis. Sie ist Direktorin des National Environment Research Council, Gastprofessorin an der Universität von Liverpool und Professorin an der Universität von Nottingham, wo sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt. Ihr Buch Dein Leben in deiner Hand. Ein neues Verständnis von Brustkrebs, Prävention und Heilung ist auf deutsch leider vergriffen (aber hier reinlesen). Auf englisch hier bestellen Your Life In Your Hands: Understand, Prevent and Overcome Breast Cancer and Ovarian Cancer

 

Quelle: https://www.newslichter.de/2013/06/warum-frauen-in-china-keinen-brustkrebs-bekommen/